Im offiziell zweisprachigen Kanton Bern existiert sehr wohl eine Nachfrage für zweisprachige Schulausbildung. Der auf Freiwilligkeit basierende Unterricht hat sich als eigenständige Schulmethode etabliert. Abgesehen von der Stadt Biel/Bienne besteht jedoch nur ein schwaches Angebot im Kanton. Dies ist eine der Schlussfolgerungen des Inventars des zweisprachigen Unterrichts im Kanton Bern, das Prof. Daniel Elmiger von der Universität Genf im Auftrag des Forums für die Zweisprachigkeit und des Vereins BERNbilingue erstellt hat.
Ist im Kanton Bern der zweisprachige Unterricht im Vormarsch? Diese Frage haben sich der Verein BERNbilingue und das Forum für die Zweisprachigkeit – zwei Institutionen, die sich für die Förderung der Zweisprachigkeit einsetzen – gestellt. Zur Beantwortung der Frage haben die beiden Organisationen Prof. Daniel Elmiger von der Universität Genf einen Forschungsauftrag erteilt. Es handelt sich zugleich um die schweizweit erste Erhebung über den zweisprachigen Unterricht auf allen Schulstufen.
Die Expertenkommission für Zweisprachigkeit im Kanton Bern hatte im November 2018 effektiv einen Paradigmenwechsel angekündigt. Die Frage der Lehrtätigkeit nahm dort einen wichtigen Platz ein. Nun wurden die 79 Studiengänge des Kantons Bern untersucht, um eine Übersicht zu ermitteln. 80% haben an der Untersuchung im Rahmen des Projekts “Inventar der zweisprachigen Studiengänge im Kanton Bern” teilgenommen.
Zweisprachiger Unterricht: ein Erfolg auf unterschiedlichem Niveau
Im Kanton Bern besteht eine begrüssenswerte Sprachenvielfalt im zweisprachigen Unterricht auf allen Schulstufen, wobei die Landessprachen gut wegkommen: 57% Deutsch-Französisch, 33% Deutsch-Englisch, 7% Deutsch-Italienisch, 1% Französisch-Englisch, 1% Französisch-Englisch-Deutsch.
Aus der Untersuchung wird auch ersichtlich, dass der zweisprachige Unterricht regelrecht Entwicklungen und Erfolge verbucht, und zwar am meisten auf der Vorschulstufe, sodann auf Sekundarstufe II (Gymnasium, Berufsschule, nicht-gymnasiale Lehrgänge). Die obligatorischen Schulstufen hingegen weisen diesbezüglich in letzter Zeit nur eine dürftige Entwicklung auf, selbst wenn die seit 2010 in Biel und seit 2018 in Bern entwickelten Schulmodelle wegweisend sind.
Für die Tertiärstufe liegen keine vollständigen Angaben vor. Die Ergebnisse der Studie zeigen jedoch ganz klar, dass die Bandbreite der Angebote in den letzten 10 Jahren sichtlich erweitert wurde, wobei das Englische zur vorherrschenden Immersionssprache wurde. Bereits ein Viertel aller Gymnasiasten besucht zweisprachigen Schulunterricht (D-E, D-F, D-I). An der Universität Bern findet dagegen kein einziger Master Deutsch/Französisch statt.
Angleichen der Grundlagen, neues Schulmodell
Um den zweisprachigen Unterricht auf den obligatorischen Schulstufen auf aktivere Weise zu fördern, müsste man die erforderlichen Grundlagen festlegen und sich dabei z. B. auf das Erfolgsmodell des Kantons Neuenburg stützen, der mit dem Projekt Prima gute Vorarbeit geleistet hat.
Der Kanton Bern als zweisprachiger und Brückenkanton zwischen den beiden grössten Sprachregionen der Schweiz könnte ein neues Modell für das Erlernen der Landessprachen entwickeln, wie z. B. die Integration der zweiten Sprache des Kantons als Unterrichtssprache in den nichtsprachlichen Fächern ab der Volksschule.
Mittelfristig: Ausarbeiten einer Strategie
Bisher basiert die Mehrheit des zweisprachigen Unterrichts auf dem Prinzip der freiwilligen (und zuweilen geringen) Teilnahme und einem geografisch limitieren Angebot. Die beiden Organisationen zur Förderung der Zweisprachigkeit sind jedoch überzeugt, dass es an der Zeit wäre, eine Strategie auf Kantonsebene auszuarbeiten, damit die offizielle Zweisprachigkeit in allen Regionen des Kantons und für alle Interessierten zugänglich wird. Die Universität hat sich sprachlich aus dem Brückenkanton Bern verabschiedet. Dies ist politisch zu hinterfragen.
Auf Seiten der Wirtschaft ist die Nachfrage nach mehrsprachigen Mitarbeitern bereits eine anerkannte Realität; also müsste auch für die obligatorische Schulzeit (inklusive Tertiärstufe wie Universitäten und Fachhochschulen) rasch eine kantonale Strategie für zweisprachigen Unterricht erstellt werden.
Das Inventar auf Französisch und Deutsch finden Sie Hier.
Weitere Informationen:
Prof. Daniel Elmiger, Universität Genf,
+41 78 862 38 42 / daniel.elmiger@unige.ch
Alexandre Schmidt, Präsident BERNbilingue,
+41 79 652 76 79 / schmidt.alexandre@bluewin.ch
Virginie Borel, Geschäftsführerin Forum für die Zweisprachigkeit,
+41 78 661 89 75 / virginie.borel@zweisprachigkeit.ch