Der Anteil der französischsprachigen Bevölkerung im Kanton Bern beträgt 10,1 Prozent, das entspricht etwas über 100 000 Personen. Umgerechnet auf die dem Kanton zustehenden 24 Nationalratsmandate hätte dieser Bevölkerungsteil Anrecht auf 2,4 Sitze. Bei den Wahlen im Jahr 2019 hat jedoch der einzige Nationalrat aus dem französischsprachigen Gebiet die Wiederwahl verpasst und kein anderer Kandidat hat den Einzug ins Parlament geschafft. Dies war für BERNbilingue im Jahr 2020 Anlass eine Studie zu lancieren. Da gemäss der Studie auch die Parteien in der Verantwortung stehen, wurde von BERNbilingue allen Kantonalparteien ein kurzer Fragebogen gesendet, dessen Rücklauf sehr erfreulich war. Alle Parteien würden einen gemeinsamen Wahlevent für die Zweisprachigkeit im Jahr 2023 befürworten. Dieser ist bei uns bereits in Planung. Weitere Informationen werden im Verlauf dieses Jahres folgen. Der Startschuss bildet nun, dass alle Parteien die Möglichkeit erhielten, in unserem Bulletin 2022 über die Zweisprachigkeit und möglichen Kandidaturen eine kurze Stellungnahme zu verfassen. Die nachfolgenden vier Parteien haben diese Möglichkeit genutzt.
GRÜNE Kanton Bern
Die Mehrsprachigkeit ist ein zentrales Wesensmerkmal der Schweiz und wichtiger Teil unserer kulturellen Vielfalt. Und der Trend ist erfreulich: Die Mehrsprachigkeit nimmt in der Schweiz zu. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung in der Schweiz verwenden regelmässig mehr als eine Sprache. Und bei den Kindern kommt heute fast die Hälfte zuhause mit mehreren Sprachen in Kontakt. Für die GRÜNEN gilt es, diesen Reichtum zu pflegen und Wertschätzung dafür zu zeigen. Dazu gehört die Pflege der Mehrsprachigkeit
in den Schulen, die Anerkennung auf dem Arbeitsmarkt und in der Verwaltung sowie die Abbildung dieser Vielfalt in der Politik. Der französischen Sprache kommt im Kanton Bern als zweisprachigem Kanton eine besondere Rolle zu, die auch verfassugsmässig verankert ist. Vivele plurilinguisme!
Natalie Imboden, Präsidentin GRÜNE Kanton Bern
SVP Kanton Bern
Die SVP lebt den Bilinguisme, indem an allen Sitzungen jede/r seine Sprache spricht und man sich so über die Sprachgrenze hinweg versteht. Das Parteibulletin und die Medienmitteilungen erscheinen selbstverständlich zweisprachig. Und das nicht erst seit 2021, als ich als Bernjurassier das Präsidium übernommen habe. Die Berner SVP trägt seit 2016 auch die Verantwortung für den Romand Sitz in der Regierung und dass Pierre Alain Schnegg nicht einfach ein Quotenvertreter in der Regierung ist, hat er spätestens in der Corona-Zeit mit seiner Führungsstärke bewiesen. Dass Bilinguisme aber gelebt werden muss und nicht von alleine kommt, zeigt sich immer wieder. So kämpfen wir auch dafür, dass wieder ein bilinguer Vertreter aus dem Kanton Bern im nationalen Parlament einziehen kann.
Manfred Bühler, SVP-Parteipräsident und begeisterter bilingue
FDP.Die Liberalen Kanton Bern
Die FDP Kanton Bern setzt sich für den Zusammenhalt der Sprachgemeinschaften
ein. Wir sehen die Zweisprachigkeit im Kanton Bern als Trumpf, insbesondere, wenn diese durch die Politik gefördert, durch die Wirtschaft als Wert begriffen und durch die Bevölkerung getragen
wird. Zweisprachigkeit soll aber eine Besonderheit sein und nicht zur Verteidigung einer Minderheit dienen. Wir wollen unsere Gemeinschaft mit freiwilligem Engagement in Familie, Nachbarschaft, Verein und Politik stärken und Kulturen, Sprachen und Regionen verbinden. In diesem Kontext ist es für die FDP selbstverständlich, dass wir bei den nächsten Nationalratswahlen auch französischsprechende Kandidaturen befürworten und unterstützen.
Daniel Beyeler, Geschäftsführer
SP Kanton Bern
Als zweisprachiger Kanton nimmt Bern eine sehr wichtige Brückenfunktion in der Schweiz ein. Dazu gilt es Sorge zu tragen. Die SP Kanton Bern schaut deshalb seit Jahren in ihren Gremien, auf Wahllisten in Publikationen und an Parteitagen darauf, dass beide Sprachen zum Zug kommen. Bei den Nationalratswahlen 2019 trat die SP mit frankophonen Spitzenkandidierenden an, bei den Wahlen 2015 hatte die SP sogar eine eigene frankophone Liste. Das ernüchternde Ergebnis zeigt aber, dass es französischsprachige Kandidierende trotz unterstützenden Massnahmen sehr schwer haben. Offensichtlich reicht ein guter Listenplatz allein nicht aus. Möglicherweise muss auch der Gesetzgeber aktiv werden. Denkbar wäre es, wie bei den Grossratswahlen im Wahlkreis Biel Seeland, zwei garantierte Sitze für die französischsprachige Bevölkerung zu reservieren.
David Stampfli, Parteisekretär